Es war einmal eine schöne Treppe. Sie führte einen kleinen Hügel hinauf. Auf diesem Hügel stand eine Hütte.
In der Hütte trafen sich in regelmäßigen Abständen Menschen aller Geschlechter und Altersgruppen.
Die Treppe war aus Eichenholz und schon viele Jahre alt. So alt wie die Hütte, aber deutlich jünger als
deren Erbauer. Im Laufe der Zeit aber zeigten sich Risse und morsche Stellen, bei der Treppe und auch ihren
Erbauern. Bei Schnee und Regen wurde die Treppe ordentlich glatt und beschleunigte den Abstieg vor allem der
älteren unter ihren Benutzern nicht unerheblich. Und weil die Risse und morschen Stellen nicht weniger wurden
und es auch weiterhin regnete und im Winter schneite, meinten manche, man müsse die Treppe gründlich sanieren,
also abreißen. Kurze Zeit später beschlossen sie, mit den Arbeiten zur Sanierung umgehend und zügig zu beginnen.
Manche meinten, dass man dies selbst erledigen könne. Denn die Menschen in diesem Verein waren zum Teil noch
jung und kräftig und voller toller Ideen.
Als sie sich wieder einmal zu einem gemütlichen Abend in der Hütte versammelt hatten, gab ein weiser Mann zu
bedenken, dass die Treppe doch sehr massiv sei und dieser Umstand die Arbeiten erheblich erschweren könne.
Denn erfahrungsgemäß waren bei Gemeinschaftsarbeiten eher die älteren Mitglieder anwesend. Die hatten es
aber häufig im Kreuz oder sie hatten Gicht oder auch beides. Die jüngeren aber hatten, besonders bei schönem
Wetter, keine Zeit, weil wenn man es nicht im Kreuz hat, dann kann man bei schönem Wetter tolle Sachen
unternehmen. Zu den tollen Sachen zählten aber keinesfalls Treppensanierungen oder ähnlicher Unsinn. So kam
es, wie es kommen musste. Der Vorschlag, die Treppe von eigens geschulten Treppenbauern herausrupfen zu
lassen, wurde einstimmig und mit Begeisterung angenommen. Besonders einstimmig von denen mit Kreuzschmerzen
und Gicht, aber auch von den gesunden Jungen. Bald darauf meldete sich eine Firma und gab bekannt, dass
bei Entrichtung von 5600 € mit einer vollkommen neuen Treppe zu rechnen sei. Einer Treppe aus Granit.
Das fanden alle toll und so beschlossen sie, dass diese Firma sehr schnell mit den Arbeiten beginnen
möge.
Als sich die lieben Vereinsmitglieder nach nur wenigen Monaten wieder trafen, stellten sie fest, dass noch
immer keine neue Treppe gebaut worden war und wegen der nicht unerheblichen Kosten doch Fördergelder der
Behörden beantragt werden sollten.
Ein paar Monde später mussten die Hüttenbenutzer bei einer ihrer Versammlungen zur Kenntnis nehmen, dass
ihr kleines Häuflein gar nicht förderfähig war, da zu wenige und zu alt. Eine schleunige Erhöhung der
Anzahl der Vereinsmitglieder auf natürlichem biologischen Wege hätte aber einige Zeit in Anspruch genommen
und wäre bei manchen auf Grund ihres Alters und der Risse und morschen Stellen auch gar nicht mehr möglich
gewesen. Also war guter Rat teuer.
Die hohen Kosten, die morschen Knochen und die fehlende Lust auf Knochenarbeit bei schönem Wetter musste
sich bei einigen auf die Augen geschlagen haben. Denn als sie sich wieder einmal trafen, da stellten ein
paar Weise aus dem Rat der Wenigen fest, dass es ja in Wirklichkeit so sei, dass nachts alle Katzen grau
und bei Regen alle Treppen rutschig seien. Da helfe doch schon vielleicht ein Treppengeländer den
Kreuzgeschädigten und Gichtigen über die Stufen.
Gesagt, getan, ein halbes Jahr danach zierte ein filigranes Treppengeländer den Rand der Eichentreppe.
Als man sich nach kurzer Zeit (ca. sechs Monate) wieder zusammensetzte, fiel auf, dass die Treppe ja nun
noch nicht erneuert worden sei und deswegen wollte man bei der nächsten großen Ratsversammlung doch
beantragen, dass noch einmal eine Firma mit der Erneuerung der Treppe zu beauftragen sei. Dieser
überraschende Vorstoß fand allgemeine Zustimmung und löste bei manchen sogar große Genugtuung aus.
Tatsächlich wurde eine Firma fast mit den Arbeiten beauftragt. Sogar ein Angebot lag vor. Es war aber
auch nicht günstiger als das frühere, was ja verständlich ist, denn mittlerweile waren es schon ein paar
Löcher und Risse mehr in der alten Eichentreppe. Diese unvermutete Wendung des Geschehens führte dazu, dass
unmittelbar danach, das heißt nur wenige Monate später, ein Zuschussantrag bei den Behörden zwecks
Erneuerung einer Treppe an einem Hügel gestellt wurde. Dabei stellte sich heraus, dass solche Zuschüsse
erst in einem Jahr wieder gegeben werden können, sofern die Voraussetzungen erfüllt seien. Solange müsse
man sich aber noch gedulden, dann aber könne unvermittelt und sehr zügig mit der Erneuerung der Treppe
begonnen werden.
Eingedenk dieser unumgänglichen einjährigen Pause machte jemand aus dieser kleinen Vereinigung darauf
aufmerksam, dass nach Begutachtung durch zwei Fachleute man eindeutig zu dem Schluss kommen müsse, dass
die Treppe noch sehr stabil sei und es überhaupt nicht nötig sei, eine neue, ob mit oder ohne Zuschuss,
zu errichten. Ganz im Gegenteil, die Treppe befinde sich momentan in ihrem besten Alter und man werde noch
lange seine Freude an ihr haben. Noch dazu, wo jetzt so ein feines Geländer selbst die ältesten Tattergreise
sicher den Weg hinauf und hinunter finden lasse. Dieser Meinung schlossen sich vernünftiger Weise die
Versammelten an, denn sie ersparte viel Geld und bewahrte eine prachtvolle Eichenbohlentreppe samt ihrer
charakteristischen Risse und Löcher vor dem unverdienten Abriss.
Da möge man doch, wie zu hören war, lieber die Gehwegplatten erneuern. Das könne man in Eigenregie
erledigen oder auch eine Firma beauftragen. Und außerdem gebe es noch die Möglichkeit, einen Förderantrag
zu stellen. Zusätzlich könne man natürlich Fachleute zu Rate ziehen. Die könnten bei Gelegenheit auch einen
Blick auf das Geländer und die Treppe werfen und nachsehen, ob noch weitere dringende Arbeiten umgehend
erledigt werden müssten.
Viele Monde später beschloss bei finsterer Nacht der Rat der Weisen, die Treppe doch abreißen zu lassen.
Abreisen wäre auch in Ordnung gewesen. Und weil das so günstig ist, lässt man gleich die Gehwegplatten mit
verschwinden und durch neue ersetzen. Gesagt, getan. Der Rat der Weisen hatte aber nicht mit den
Treppen- und Gehwegplattenerneuerungsgegnern gerechnet. So kam es, wie es kommen musste. Schriftsätze
rauschten durch die Botanik. Die Befürworter und die Gegner standen sich im harten Ringen bei knisterndem
Kaminfeuer Auge in Auge gegenüber. Allerdings ein wenig zu spät. Die historische Eichentreppe samt den sie
umgebenden wundervollen antiken Platten waren schon dahin. Viel zu teuer meinten die Treppen- und
Gehwegplattenerneuerungsgegner. Es wird sicherlich eine prachtvolle Einweihungsfeier mit Treppenumtrunk
und Plattenparty geben. Und am Ende sind dann alle wieder prima Freunde und warten auf den Tag, wenn es
wieder heißt....
Nachbemerkung: Ein Treppenwitz ist im ursprünglichen Sinn ein Witz, also ein geistreicher Gedanke,
der jemandem einen Moment zu spät einfällt, also erst beim Hinausgehen auf die Treppe. Heutzutage
verwendet man den Begriff ganz allgemein für die Ironie des Schicksals oder für albernes Verhalten.
Ein Treppenwitz ist also kein Witz über eine Treppe, wiewohl es tatsächlich Witze über Treppen gibt,
zum Beispiel den: Zwei Tafeln Schokolade fallen die Treppe hinunter, sagt die eine: "Auweia, ich habe mir
ein paar Rippen gebrochen." Meint die andere: "Und ich bin voll auf die Nüsse gefallen".
Solche Treppen, so meine ich, gehören schleunigst erneuert. Das kann man in Eigenregie machen oder man
kann eine Firma beauftragen. Manchmal gibt es auch Zuschüsse.